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Prof. h.c. Dr. rer. nat. habil.

Horst Göring

Dipl.-Biologe

 

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Vitamin D. Informiert das Erste Deutsche Fernsehen objektiv?

170817

Vitamin D. Informiert das Erste Deutsche Fernsehen objektiv?

 

Man sollte es annehmen. Muss das aber auch auf spezielle Sendungen des Senders zutreffen?

 

Es ging mir um die Sendung mit dem vielversprechenden Titel

„Vitamin D“.

 

(ARD, 26.07.2017, 21:45, Plusminus, Vitamin D) . Sie ist aufrufbar bis 26..07.2018 über

 

„ARD

Mediathek

Plusminus

26.07.2017

21:45

Vitamin D“

 

Die Sendung war sehr einseitig und in großen Teilen für viele Zuschauer irreführend ausgerichtet. Deshalb richtete ich mich 3 Tage später mit meinen Bemerkungen an die Zuschauerredaktion. Ich hegte eine leise Hoffnung, dass eine Reaktion möglich sein könnte. Inzwischen sind 19 Tage ins Land gegangen. Ich habe immer noch keine Reaktion erhalten. Dann werde ich eben auf diesem Wege versuchen, meine Stellungnahme öffentlich vorzustellen.

 

Meine Darstellung an den Sender:

 

Ich bin Naturwissenschaftler, Biologe, und finde es sehr schade, wenn die Bevölkerung über unsere Medien derart missinformiert wird wie in dieser Sendung.

Ich könnte die Sendung Punkt für Punkt durchgehen, um das zu belegen. Wahrscheinlich würde es aber sowieso keiner lesen. Darum nehme ich nur einige Beispiele heraus.

 

„Ist die Bevölkerung in Deutschland mit Vitamin D unterversorgt?“ [Das war der Hauptausgangspunkt der Sendung – HG]

 

Es wird das Robert-Koch-Institut bemüht. So werde auch ich mich daran halten.

Damit nicht gesagt werden kann, die Erhebungen lägen ja schon einige Jahre zurück, stütze ich mich auf die Auslegung des Robert-Koch-Institutes vom Dezember 2016 (Gesundheitsberichterstattung des Bundes gemeinsam getragen von RKI und DESTATIS, Journal of Health Monitoring, SS. 36-40). [Einen Ausdruck legte ich meinem Schreiben bei.] Übrigens gibt es weitere und jüngere überzeugende Untersuchungen von Ärzteteams über die Vitamin D-Versorgung in Deutschland.

 

Schon im Abstract auf S. 36 heißt es:

„Gemessen an ihren Serumblutwerten sind 30,2% [1]der Erwachsenen ... mangelhaft mit Vitamin D versorgt.“

Das wurde auch von Ihnen wiedergegeben. Der nächste Satz lautet dann:

„Eine ausreichende Versorgung erreichen 38,4% der Erwachsenen ...“

 

Mangelhaft steht hier für <30 nmol/l (<12 ng/ml),

ausreichend für ≥50 nmol/l (20 ng/ml).

 

Was ist mit den restlichen 31,4%? Das sind diejenigen, die zwar nicht ausreichend, aber immerhin auch noch nicht mangelhaft versorgt sind. Mit anderen Worten: Neben den mangelhaft versorgten 30,2% gibt es noch 31,4% unzureichend versorgte Erwachsene,

zusammen also 61,6% nicht ausreichend versorgte Erwachsene.

 

Warum ist aber der Rest von 38,4% nicht gut oder gar optimal versorgt? Es wird hier von den international in der Wissenschaft üblichen Gliederungen abgewichen. Von ausreichend bis optimal wird alles in einen Topf geworfen. (Würden Sie zufrieden sein, wenn Sie sich nur ausreichend ernähren könnten?). Ich glaube, dass wir in Deutschland eine optimale Versorgung anstreben sollten.

 

Es drängen sich zwei Überlegungen auf. Die erste geht davon aus, dass konkretes Zahlenmaterial beim Robert-Koch-Institut vorliegt. Zahlen sind nun einmal keine Gummibegriffe. Entweder akzeptiert man sie oder nicht. Sie wurden aber schon veröffentlicht. Da ist nichts mehr zu machen, sie sind einfach da. Früher wurden sie auch schon einmal anders zusammengefasst. Vergrößert man beispielsweise die Anzahl der Versorgungsgruppen, so verschieben sich auch die Anteile der Menschen, mit guter Versorgung, ausreichender Versorgung usw. Aber selbst bei der neusten Auslegung der Daten durch das Robert-Koch-Institut muss man davon ausgehen, dass lediglich 15-25% der Bevölkerung wirklich optimal oder sehr gut versorgt sind.

 

[In der Sendung wird gesagt, dass die Firma Merk damit wirbt, dass ca. 80% der Deutschen mit Vitamin D unterversorgt seien. Nun soll das Robert-Koch-Institut „ein eindeutiges Dementi“ gegeben haben. Es seien nicht 80% „unterversorgt“, aber 30,2% „mangelhaft“ versorgt. Hätte Merk geschrieben „nicht ausreichend“ versorgt, dann hätte alles seine Richtigkeit gehabt. Es sind nämlich in der Tat gut und gern 80% der Deutschen, exakt müsste es eigentlich heißen „der erwachsenen Deutschen“, die nicht ausreichend versorgt sind. – HG] Es ergibt sich die Frage: Worin irrt Merk? Eigentlich nur in den Bezeichnungen unterversorgt und nicht ausreichend.

 

Da in der Erhebung des Robert-Koch-Institutes bei Kindern und Jugendlichen die Ergebnisse z. T noch wesentlich ungünstiger ausgefallen sind, habe ich mir bei der folgenden Darstellung der Einfachheit halber erlaubt, von den Daten für Erwachsene auf die Gesamtbevölkerung zu schließen.

 

Die zweite Überlegung sollte das Bild von einer etwas menschlicheren Seite darstellen. Bei 80% unzureichend mit Vitamin D versorgten Menschen in Deutschland würde es sich um >65 Millionen handeln, bei meiner obigen Darstellung um >50 Millionen, bezieht man sich aber nur auf die Gruppe der mangelhaft versorgten, sie würden aber immer noch auf fast 25 Millionen kommen, d. h. 25 Millionen mangelhaft versorgter Deutschen. Reichen Ihnen diese 25 Millionen nicht? Wissen Sie wie viel Leid dahinter steht? Sie schieben das ganze Problem mit der Vitamin D-Unterversorgung in Deutschland mit einem Handgriff beiseite, da es sich ja nur um 25 Millionen handeln würde. Das kann nicht Ihr Ernst sein. Ich kann das nicht glauben.

 

Nur kurz einige Zusatzbemerkungen.

 

  1. Was soll eigentlich mit der Vitamin D-Versorgung erreicht werden? Auch bei der Auslegung des Robert-Koch-Institutes wird davon ausgegangen, dass man so weit versorgt ist, um gegen „Knochen“-Erkrankungen geschützt zu sein. Auch nach internationalen Erkenntnissen wird in der Tat davon ausgegangen, dass dafür die empfohlenen ≥50 mmol/l (20 ng/ml) Vitamin D im Blutserum ausreichen. Auch die biologischen Grundlagen dafür sind weitreichend aufgeklärt. Das Pro-Hormon „Vitamin D“ wird bis zu rund 10% mit der Nahrung aufgenommen. Es ist in nur ganz wenigen Produkten in relativ geringen Mengen enthalten (Wildlachs [nicht in dem meist angebotenem Lachs aus Fischfarmen], einige weitere fettreiche Seefische, Eier [insbesondere von Hühnern aus Legefabriken, da zur besseren Stärkung der Ei-Schale für das Legesystem und den Transport dem Futter beträchtliche Mengen an Vitamin D beigemischt werden. Trotzdem müssten Sie einige Dutzend Eier pro Tag verzehren, um auf eine ausreichende Vitamin D-Versorgung zu kommen], Pilze [insbesondere wenn sie an der Sonne getrocknet bzw. zusätzlich mit UV-B-Strahlung behandelt werden]. Nicht enthalten ist Vitamin D in Obst und Gemüse, bzw. nur unterschwellig in ganz geringen Konzentrationen. Der Rest an Vitamin D muss über die UV-Strahlung der Sonne in unserer Haut synthetisiert werden. Nachdem das Vitamin D in die Blutbahn gelangt ist, wird es in der Leber zu 25-(OH)-Vitamin D umgewandelt. So liegt es in der Blutbahn gespeichert vor und wird bei Bedarf abgerufen und in den Nieren zum Hormon Calcitriol umgewandelt, wieder in die Blutbahn ausgeschieden und wirkt als endokrines Sekret vor Ort beim Knochenstoffwechsel. Hier könnte das Robert-Koch-Institut seine Geschichte abschließen. In der Tat, es schließt sie hier wirklich ab!
  2. Die Wissenschaft ist aber viel weiter gediehen. Der größte Teil des mit der Nahrung aufgenommenen oder in der Haut mit Hilfe von UV-Strahlung synthetisierten Vitamin D wird in den verschiedensten Geweben umgesetzt, bevorzugt in Zellen unseres Immun-Systems. Die einzelnen Reaktionsschritte sind weitgehend bekannt. Wir wissen auch in welchen Geweben bzw. Zellen durch Vitamin D (bzw. durch einen spezifischen Komplex von Vitamin D und einem spezifischem Bindungsprotein; der Einfachheit halber und des leichteren Verständnisses wegen habe ich diese Bindungsproteine bislang unterschlagen) welche Gene aktiviert bzw. inaktiviert werden. Das alles hat mit dem Knochenstoffwechsel gar nichts zu tun. Womit aber sonst? Mit den vielen zusätzlichen Wirkungen von Vitamin D. Davon ist vieles gut bekannt, in Arztpraxen erprobt. Es hat vielen Menschen bereits geholfen. Aber es ist nicht ausreichend sicher durch Studien belegt. Gemeint sind damit „Randomized doppelt Blindstudien“. Es liegen aber Studien vor. Man könnte fast sagen, es gibt zu viele Studien. Im Schnitt kommt immer auf eine positive wieder eine negative Studie. Wie kann das sein? Ich bin Biologe und möchte nicht Studien in der Medizin bewerten. Aber schauen Sie sich an, was Ärzte über medizinische Studien schreiben (s. DocCheck News, 27.07.2017 [brandneu, aber ich habe auch ältere Arbeiten darüber, auch aus den USA]. http://pic.doccheck.com/3430/dbdcbb0ec59ec47e0c508e79cc767544/236178 Die Überschrift lautet: „Die klinische Studie: Meisterwerk der Manipulation.“ DocCheck News ist übrigens kein „Räuberblatt“ im Internet, sondern eine ernsthafte Webseite, auf der Ärzte und Apotheker wichtige medizinische Probleme diskutieren. Nun können Sie als gesunder Mensch ohne irgendwelche Beschwerden wie Rückenschmerzen, Zahnfleischbluten, Hautirritationen und was auch immer leicht sagen: Ich warte auf die nächste überzeugende Studie.
  3. Ein Fallbeispiel. Eine Patientin hat Beschwerden. Sie soll eigentlich am Herzen operiert werden. Drei Stents sind einzusetzen. Sie ist aber 79 Jahre alt und ihr körperlicher Zustand ist eher kritisch. Sie wird wieder nach Hause geschickt. Kein Arzt war bereit, die Operation auszuführen. Ihr Hausarzt weiß keinen Rat mehr. Schließlich entscheidet er sich doch für eine Vitamin D-Bestimmung. Der Wert ist 7 ng/ml (entspricht 17,5 mmol/l, d. h. mangelhafte Versorgung). Sie bekommt eine Vitamin D-Therapie nach Raimund von Helden. Ihr Zustand verbessert sich. Sie sucht wieder den Kardiologen auf, bringt die neuen Laborwerte mit. Der ordnet seine Papiere, sieht sie an und fragt, warum wollen Sie sich nicht operieren lassen? Ihre Werte, Ihr Zustand – alles o k. Ach ja, sie waren zu schwach. Ich erinnere mich. Jetzt aber nicht mehr. Er greift zum Hörer und bekommt für sie noch in der gleichen Woche einen Termin für eine Operation. Inzwischen geht sie wieder spazieren, geht einkaufen u. a. War es das Vitamin D? Das ist kein Beweis. Das ist nur ein Fallbeispiel. Auch wenn der Arzt aus dieser Erfahrung weitere zukünftige Behandlungen ableitet und alles gleichermaßen gut ausgeht, es wird auch dadurch nicht zum Beweis. Es müssen Studien her! Sie können froh sein, dass es doch immer mehr Ärzte gibt, die sich anders entscheiden. Die Patientin könnte tot sein. Sie ist es nicht. Das ist nur ein Fall von Dutzenden, von denen ich Kenntnis habe. Hätte der Arzt auch auf die nächste überzeugende Studie warten sollen? Wundern Sie sich nicht, wenn viele Menschen sich nicht mit ihren Leiden plagen wollen bis die nächste Studie da sein wird. Kranke wurden auch geheilt bevor es überhaupt Studien gab. Gewiss sind Studien nach allen exakten Kriterien der heutigen Zeit eine entscheidende Grundlage für Neuzulassungen von Medikamenten für die Krebstherapie usw. Es handelt sich um Medikamente, für die bereits für einen Behandlungszyklus etwa 100 000 $ zu bezahlen sind. Da muss man schon Summen in vier- oder fünf-stelliger Höhe aufwenden für beweiskräftige Studien. Wer bezahlt diese Summen aber für Medikamente, die nur wenige Euro kosten, aber heilsam sind?
  4. Womit wir beim Geld wären. Genau gesagt hieß die Sendung: „Vitamin D – Wer mit dem Hype das große Geld macht.“ Und ganz am Anfang heißt es dann: „Der Hype um das Sonnenvitamin verschlingt immer mehr Geld.“ Damit ist die Linie vorgegeben. Es kommt nur noch darauf an, das Ganze zu unterfüttern. Durch die ganze Sendung zieht sich der Gedanke, dass sich „Ärzte, Apotheker, Labore und Hersteller über satte Gewinne freuen können“. „ 87 Millionen für Bluttests“; „klar, dass sich damit richtig Geld verdienen lässt“; Verkauf von Vitamin D-Präparaten, 2016 waren es verschreibungspflichtig 3,7 Mill., Rezept-frei – 7,1 Mill.; es wird ein Gesamtumsatz von 179 Mill. genannt, aber unklar bleibt, wo dieser her kommt. Außerdem handelt es sich um Umsatz, nicht Profit (!) von etwa 100 Millionen €, vielleicht auch etwas mehr. Wissen Sie, dass sich der Arzneimittelumsatz auf dem deutschen Klinik- und Apothekenmarkt 2016 auf 37.800 Mill. belief, für verschreibungspflichtige Vitamin D-Präparate gerade einmal auf 3,7 Mill.? Das sind gerade einmal 0,00098%! Sie sehen sehr wohl, dass Sie nicht in den Gewässern fischen, wo die großen Fische schwimmen! Mit nur 30-40 € pro Jahr kann ein Mensch in Deutschland sehr gut bis optimal mit Vitamin D versorgt werden. Evtl. noch 1, höchstens 2 Mal pro Jahr eine Bestimmung des Vitamin D-Spiegels. Wäre das ein hoher Aufwand im Vergleich zu vielen anderen, zu einem nicht unwesentlichen Anteil nicht notwendiger Analysen, Behandlungen oder Operationen?

 

Hat dieses Vitamin D den Menschen geschadet? Sagen Sie nicht ja. Ich kann das Gegenteil belegen. Auch die häufig ins Feld geführten Hinweise auf Überdosierungen sind nicht haltbar. Über Grenzwerte für Überdosierungen können Sie auch in offiziellen Dokumenten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung nachschlagen. Wie vielen Menschen es aber geholfen hat, wollen Sie lieber gar nicht wissen. Das ist aber gar nicht verwunderlich, wenn man allein an die von Ihnen genannten 25 Millionen Menschen in Deutschland ausgeht, die mangelhaft mit Vitamin D versorgt sind. Ich könnte mir folgende Überschrift sehr gut vorstellen: „ARD geht von 25 Millionen Menschen in Deutschland aus, die nur mangelhaft mit Vitamin D versorgt sind, warnt aber vor einer Zusatzversorgung!“ Soll wohl heißen: „Bloß nicht gesund werden!“ Ehrlich, Sie stellen sich als „Meinungsmacher wider besseren Wissens dar.“

 

 

 

 

Ich nehme kaum an, dass mein Schreiben Sie überhaupt erreichen wird. Es könnte ja irgendwo liegen bleiben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dann aufgeben sollte. Zu vielen Menschen könnte geholfen werden. Das hat doch übrigens auch Ihre nicht repräsentative Umfrage zu Beginn der Sendung ergeben, oder war einer der Befragten darunter, dessen Leiden sich nach Einnahme von Vitamin D verschlechtert hatten. Diese Menschen aber als durch Werbung manipuliert ab zu tun, ist wohl etwas billig. Wahrscheinlich können wir nicht damit rechnen, dass Journalisten unserer öffentlichen Medienanstalten bei der Aufklärung der nicht ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Vitamin D unterstützend eingreifen.

Mit freundlichen Grüßen

 

Prof. h.c. Dr. Horst Goering

 

Anlage

https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_2016_02_ernaehrung.pdf?__blob=publicationFile

 

 

 

[1] Hervorhebungen durch Fettschrift in diesen Zitaten stammt von mir. HG

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